Der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes ist endlich veröffentlicht!
Ertüchtigung statt Abriss - ein großer Erfolg und eine bittere Pille
Heute, am 1. 6. 2018, hat das Eisenbahnbundesamt den Planfeststellungsbeschluss zu den von der Deutschen Bahn AG geplanten Baumaßnahmen am Chemnitzer Bahnbogen veröffentlicht. Mit großer Freude und Erleichterung haben wir registriert, dass das Eisenbahnbundesamt den Empfehlungen der Landesdirektion Sachsen gefolgt ist und den Abriss des denkmalgeschützten Viaduktes über die Annaberger Straße/Beckerstraße/Chemnitz (Beckerbrücke) nicht genehmigt hat. Die Deutsche Bahn wird, wie erwartet verpflichtet, eine Lösung zur Erhaltung und denkmalgerechten Sanierung der Brücke vorzulegen. Damit sind die Abrisspläne für das Viadukt vom Tisch.
Mit der Entscheidung haben sowohl die Landesdirektion als auch das Eisenbahnbundesamt anerkannt, dass das Viadukt einen hohen Denkmalwert für die Stadt Chemnitz und die gesamte Region besitzt. Das Viadukt hat stadtbildprägenden Charakter und steht als technisches Denkmal für die Stadtentwicklung in der Blütezeit der Industriellen Revolution und der anschließenden Gründerzeit um 1900. Das Viadukt steht damit nicht nur für die Eisenbahngeschichte der Region, sondern auch als ein wichtiges Denkmal für die Montanindustrie im westsächsischen Revier. Außerdem steht die Brücke durch eine große Zahl von besonderen technischen Lösungen und die ästhetische Ausführung für die Leistungen der sächsischen Ingenieurskunst um 1900.
Die Bürgerbewegung gegen den Abriss des Viaduktes, die vom Verein Viadukt e.V. und dem Stadtforum Chemnitz vertreten wird, hatte sowohl im Zuge des Planfeststellungsverfahrens als auch im Rahmen der Bürgerbeteiligung im Vorfeld des Verfahrens, nicht nur den besonderen Denkmalwert dieses Bauwerkes herausgestellt, historische Forschungen betrieben und sich mit politischen Akteuren vernetzt, sondern sich auch mit den technischen Fragen um die Lebens- und Nutzungsdauer historischer Stahlkonstruktionen auseinandergesetzt.
Mit dem heute veröffentlichten Beschluss sind die Behörden den wesentlichen Argumenten der Bürgerbewegung gegen den Abriss und für eine Ertüchtigung der Brücke gefolgt. Viadukt e.V. wertet das als einen großen Erfolg und Anerkennung der Arbeit von allen Beteiligten, die die Bürgerbewegung unterstützt haben und dankt sehr herzlich für die tatkräftige Hilfe.
Gleichzeitig möchten wir aber betonen, dass die Arbeit des Viadukt e.V. für die Erhaltung des Viaduktes damit noch lange nicht vorbei ist. Vielleicht beginnt jetzt erst der anspruchvollste Teil, denn nun wird es um eine denkmalgerechte Sanierung der Brücke und eine angemessene Gestaltung des städtischen Umfeldes des Viaduktes gehen. Die Deutsche Bahn hat bereits angekündigt, einen Fachbeirat für die Sanierung einzusetzen, in dem alle Beteiligten, auch die Bürgerbewegung vertreten sein sollten.
Mit dem schönen Erfolg für das Viadukt müssen wir mit dem Beschluss aber auch eine bittere Pille schlucken. Der Erhalt des Viaduktes stellt allerdings nur einen Teilerfolg um den Erhalt des denkmalgeschützten Ensembles „Chemnitzer Bahnbogen“ dar. Weitergehende Forderungen für den Erhalt denkmalgeschützer Bauwerke im gesamten Bereich des Bahnbogens konnten wir nicht durchsetzten. Viadukt e.V. hatte sich in den letzten zwei Jahren verstärkt auch für die denkmalgeschützten Brücken über die Augustusburger Straße und die Reichenhainer Straße am Südbahnhof und die betroffenen Gebäudeteile des Südbahnhofes selbst eingesetzt. In diesen strittigen Punkten ist das Eisenbahnbundesamt dem Antrag der Deutschen Bahn gefolgt und hat den Abriss weiterer technischer Denkmäler genehmigt. Diese Denkmäler werden im Vergleich zum Viadukt als nachrangig angesehen, sind jedoch wesentlicher Teil des Stadtbildes in den betroffenen Stadtteilen. Insbesondere das gesamte Ensemble des Südbahnhofes wird durch einen Abriss und Neubau einer der beiden Brücken über die Reichenhainer Straße schweren Schaden erleiden.
Aufgrund der Bemühungen des Viadukt e.V. hatte das Landesdenkmalamt im vergangenen Jahr den gesamten Bahnbogen mit allen Brücken, Bahnhofsgebäuden, Stützmauern und Geländern zu einem denkmalgeschützten Ensemble erklärt. Damit war die Hoffnung verbunden, dass im Fall eines tatsächlich notwendigen Abrisses der kleineren Brücken bei Neubauten spezielle Auflagen gemacht werden können und damit der historische und ästhetische Eindruck des Bahnbogens als städtebauliches Element gewahrt bleibt. Ob nun in der Folge des veröffentlichten Beschlusses hier noch etwas im Sinne des Denkmalschutzes und für die Stadt Chemnitz durchzusetzen ist, muss noch geprüft werden. Letztendlich bedeutet das für den Viadukt e.V. weiterhin, alle Möglichkeiten zur Mitbestimmung im Sinne einer bestmöglichen Gestaltung der „kleinen Brücken“ unter größtmöglichem Erhalt der historischen Substanz und des Charakters dieser Bauwerke auszuschöpfen und parallel die Aufklärung der Bürgerschaft fortzuführen.
Trotz allem möchte Viadukt e.V. den Erfolg gemeinsam mit allen Chemnitzern feiern! Nähere Informationen dazu folgen in Kürze!